Pfalzgraf Ruprecht erbaute 1355 die Sauerburg wiederholt haben die Besitzer gewechselt. Die Fehde von 1504 zwang den Kurfürst Philipp von der Pfalz die Burg an seinen Marschall Philipp von Cronberg zu verkaufen. Später kam sie durch Erbschaft an die Brömser, die ihren Stammsitz in Presberg hatten und dann an die von Metternich und die von Sickingen. 1689 haben die Franzosen die Feste geschleift, verbrannt und den Turm gesprengt. Die vorgelagerte Burg Waldeck ist heute nur noch Ruine. Wer von der Wisperstraße herkommt, macht unwillkürlich halt und schaut bewundernd auf die herrliche Burg, die aus der Ferne grüßt. Der 38 m hohe Burgfried scheint Umschau zu halten auf die umliegenden Höhen und Dörfer und starken Schutz zu bieten. Man könnte ihm die Liedworte beilegen:
"Und säh ich auf der Heide dort
im Sturme Dich,
mit meinem Mantel vor dem Sturm
beschützt ich Dich...“
Mehrfach legen sich die Ringmauern um den Burgberg\; auf der Ostseite weist ein Glockentürmchen nach oben. Hier in der Nähe der Schloßkapelle hatte der Burgkaplan seine Behausung.
Bald mit lautem Lärm, bald in stiller Besinnlichkeit schritten die Jahrhunderte an der Sauerburg vorüber.
Zwar die Ritter sind verschwunden
nimmer klirren Speer und Schild...
Der letzte seines Stammes war Franz von Sickingen, der auf dem Sauerthaler Kirchhof drunten ruht. Er starb 1834; sein Grab wurde eingesegnet vom damaligen Pfarrer Munsch von Ransel.
Die neuere Heimatforschung hat mit den Märchen und Legenden, die sich um das Leben und Sterben dieses Reichsgrafen rankten, aufgeräumt. „Er starb im Elend“ heißt es auf seinem Grabstein. Jedenfalls war der Reichsgraf zu stolz Staatspensionär von Nassau zu werden. Er erreichte ein Alter von 75 Jahren und wurde in der letzten Krankheit gut verpflegt und wohl betreut von der Familie seines Pächters auf dem Sauerthaler Hof. An seinem Begräbnis nahmen die Sauerthaler, sowie auch die umliegenden Orte, besonders seine Lorcher Freunde teil.
Die stimmungsvoll gelegene Waldburg ist noch heute das Ziel zahlreicher Wanderer; in den engen Schluchten hausen nicht bloß Eulen und Käuzchen, sondern auch die lieben Nachtigallen, die im Vorsommer ihr Freikonzert geben. Beim Besuch des kirchenstillen Waldes denkt man unwillkürlich an Eichendorff und seine romantischen Lieder:
„die Nachtigallen schlagen
hier in der Einsamkeit,
als wollten sie was sagen,
von alter schöner Zeit.“
Die gotische Schloßkapelle auf der Sauerburg wurde 1920 neu eingerichtet und von Bischof Augustinus im Mai 1922 selber eingesegnet. Ein Rippengewölbe umspannt das Chor, und aus dem Mittelfenster grüßt eine Madonna mit dem Jesukind in den weiten Raum, während zwei Nebenfenster mit Wappen ausgefüllt sind. Wenn Vormittags das glänzende Sonnenlicht einfließt, scheint die Madonna warm und mütterlich jeden Besucher der Kapelle ins Auge zu fassen. Sie blieb im Bombenkrieg verschont; möge sie noch lange ihre Schutzherrschaft ausüben über die Bewohner der Burg, die Sommer wie Winter der herrlichen Wartburg ähnelt, von der durch St. Elisabeth einst so viel Segen ausging in schwerer Zeit.
Beim Betreten der Sauerburg denke ich an zwei Bilder von Moritz Schwind: das eine heißt „Reiter ins Tal zurückblickend“, das andere „Ritt in den Burghof“. Sie stammen aus der Zeit, da der Abreißkalender der Lebenstage des Malers schon dünner wurde. Aber dennoch empfand sein Künstlergemüt den Inhalt des Spruches: „Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“.
Von Tannenästen überdacht wendet sich der Reiter und blickt zufrieden auf den zurückgelegten Weg, während auf dem anderen Bild der jugendliche Ritter erwartungsvoll aufblickt zum Vorgiebel oder Bildstöckchen, das von Berberitzersträuchern umrahmt am Wegrand steht. Gewiß ist der Reiter ein Edeling oder der jugendliche Burgherr selber.
In dem geräumigen Burghof ging es wohl manchmal laut und lärmend zu, wenn die Knappen, die Schildträger und Reisigen gemustert wurden. Oder vom hohen Altan winkt grüßend die Schloßherrin den Helden, die von der Jagd oder vom Kampfe heimkehrten und müde das Schwert und den Speer in der Ritterhalle ablegten. In friedlichen Zeiten mag hier manch fröhliches Mahl und Trinkgelage gefeiert worden sein. Aus rauher trinkfester Kehle ertönten Gesänge und das Horn des Burgwarts schmetterte seine Weisen hinab ins Tal. Die Mägde eilten zum efeuumrankten Ziehbrunnen an den Lanzknechten vorbei, gegrüßt oder auch mit schelmischem Zuruf geneckt. Heute ist der Waffenlärm längst verstummt. Denn in der Kriegsführung wurden andere schlimmere Werkzeuge ersonnen.
Aber die blaue Blume der Romantik soll weiter blühen in den rauschenden Wäldern und dem plätschernden Tiefenbach, dem Quadalquivir des Rheingaus, bei der Sauerburg, wenn auch alles andere vergeht und verweht, nur das Glaubensleben hat Dauer. Fronleichnam, da krachen die Böller und ringsum echot es in den Schluchten, die Burg hat ihre Flagge hochgezogen, die man weithin wehen sieht, während unten im Tal das Laude Sion klingt bei den Altären um die St. Annakirche. Nach dem Te Deum zieht die Musik zu einem erfrischenden Trunk, während das Kirchenvölkchen sich zerstreut.
Der französische Arzt Dr. Al. Carrel schreibt in seinem Buche: L’homme, cet inconnu also: La destinée naturelle de toutes les civilisations est de grandire et de dégénérer, et de s’évanouir en poussière.
Es ist noch nicht lange her, da hörte man reden von der Gründung eines 1000-jährigen Reiches. Auf so hohen Sprüchen reitet aber die Gnade nicht. Der Spender der Gnade ritt nur einmal, aber bescheiden auf dem Füllen einer Eselin und sein Reich hat Bestand. Drum nennt man Ihn König der Könige und den Herrn der Herrscher. Unsere Seele ist die Burg, in welcher Er herrschen und gebieten soll, nach einem schönen Wort der großen Theresia von Abula, die Gott nie anders nannte als mit dem Titel: „Seine Majestät“.